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Krippenfiguren

Maria, Josef und das Szegediner Gulasch

Der Karton steht unten im Keller. Da, wo man nur einmal im Jahr hin krabbelt. Obendrauf ein Schriftzug: „IMI. Zum Saubermachen Henkelsachen.“ Und handschriftlich steht daneben KRIPPE in großen, roten Druckbuchstaben. Vergilbt und blass, aber lesbar. Omas Handschrift. Drinnen liegen die Krippenfiguren, säuberlich in altes und wunderbar holziges Zeitungspapier der „Westerwälder Zeitung“ eingepackt.

Josef guckt ziemlich nachdenklich. Er ist bis heute in eine Seite verpackt, auf der Bundeskanzler Konrad Adenauer „einen Abgrund an Landesverrat“ wittert. Die berühmte Spiegel-Affäre aus dem Jahre 1962 schützt auf diese Weise den irdischen Vater Jesu von Nazareth vor politischen Beschädigungen. Maria liegt eingepackt in ein Kochrezept der Seite „Haus und Hof“, die im Jahre 1959 ein Rezept für Szegediner Gulasch der „fröhlichen Hausfrau“ ans Herz legt. Und Maria, die kleine, zarte Maria, lächelt ganz vorsichtig, und mir kleinem Buben war sofort klar, dass dieses vorsichtige, ironische Lächeln mit einem Jahr Liegezeit im Gulasch zu tun haben musste.

Jesus schließlich ruht eingebettet in einer kleinen Schachtel. „Schmuck und Uhren Salzmann“ steht drauf. Herr Salzmann, der Juwelier, war der Inbegriff des Nicht-Messias: Brummig. Humorlos. Knubbelfingerig. Für einen stattlichen Mann verfügte Herr Salzmann noch dazu über eine recht dünne Fistelstimme. Irgendwann im Dezember packe ich alle Figuren wieder aus. Schlägt Kindheit, schlagen all diese Erinnerungen mir wieder entgegen. Noch immer lächelt Maria zart der Welt entgegen, schläft das Christuskind selig, blickt der gute Josef nachdenklich. Egal womit die Welt euch einwickelt, denke ich, euch selbst und eure Geschichte kriegt keiner klein.

Von Christian König, Schulseelsorger